Jede zweite Einrichtung in Bayern geschlossen oder von der Schließung bedroht
Zwei Drittel der Einrichtungen in Bayern mussten Angebote oder Leistungen in den letzten Jahren einschränken oder ganz einstellen. Anlässlich der morgen startenden Sozialmesse „ConSozial“ betont die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre volkswirtschaftliche Bedeutung: „Wohlfahrtsarbeit ist ein Wirtschaftsfaktor und damit auch Standortvorteil“. Das BRK hat in 2024 den Vorsitz innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege Bayern.
Eine Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat ergeben, dass zwei Drittel der Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Angebote einschränken oder einstellen mussten. Bereits 2022 und 2023 haben Befragungen durch die Wohlfahrtsverbände gezeigt, dass die Träger der gemeinnützigen sozialen Arbeit unter erheblichem finanziellem Druck stehen. Steigende Lohnkosten, Preissteigerungen und stetig wachsende Bedarfe, z.B. im Bereich der Migrationsberatung oder der Altenhilfe, werden kaum oder gar nicht durch Fördermittelgeber und Kostenträger ausgeglichen. Damit wird sogar jede „Nullrunde“ zum realen Verlust an Handlungsspielraum – und jede Kürzung gefährdet das Überleben von Angeboten und ihren Trägern.
Mit der jüngst präsentierten Umfrage wird deutlich, dass eine Trendwende bei der Finanzierung der sozialen Arbeit ausgeblieben ist – und sich stattdessen der Abwärtstrend dramatisch beschleunigt. Mehr als drei Viertel der befragten Einrichtungen rechnen den Ergebnissen der Umfrage damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird. Aus Bayern nahmen 1221 Einrichtungen an der Umfrage teil. Für sie zeichnet sich ein ähnlich beunruhigendes Bild wie auf Bundesebene.
Brigitte Meyer, Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern und Vizepräsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes: „Die tiefgreifenden, strukturellen finanziellen Schwierigkeiten innerhalb der Wohlfahrtspflege sind seit langer Zeit spürbar und erreichen mit jedem Jahr neue Rekordhöhen. Mit jeder sozialen Einrichtung, die in Bayern schließt, schwindet ein Teil der sozialen Ader unserer Gesellschaft. Es schwindet aber auch das Dienstleistungsangebot, das wir erbringen, und das so dringend gebraucht wird. Wir verlieren ohnehin rare Fachkräfte und Arbeitskräfte wenden sich ab vom Gesundheitswesen. Der Teufelskreis mutiert zur Teufelsspirale.“
Seit Jahren ist diese Abwärtsspirale innerhalb der Wohlfahrtspflege zu beobachten. Kenner der Branche warnen hiervor schon seit Jahren – mittlerweile werden die Auswirkungen auch für Außenstehende, wie beispielsweise Pflegebedürftige oder pflegende Angehörige, auf gravierende Weise spürbar. Die Freie Wohlfahrtspflege leistet einen erheblichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und erzielt hierbei einen Anteil von etwa 2,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt.
Meyer ergänzt: „Sozialausgaben des Staates sind damit auch wirtschaftliche Investitionen und sollten daher auch als solche politisch vorangetrieben werden. Es braucht klare Signale und unterstützende Maßnahmen der Politik, denn die Prognosen für die Zukunft sind allesamt beunruhigend und erfordern jetzt entschlossenes Handeln aller Verantwortlichen. Schließlich ist die Wohlfahrtsarbeit der Kitt unserer Gesellschaft. Mit Investitionen in die Wohlfahrtspflege wird der Sozialstaat und die solidarische Absicherung der Bevölkerung gestärkt, ein enormer Standortvorteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland – der im Sinne des sozialen Friedens jedoch mindestens gefährdet ist.“
Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern:
In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert. Das Bayerische Rote Kreuz hat im Jahr 2024 den Vorsitz innerhalb des Freien Wohlfahrtspflege. Gemeinsam erbringen die Verbände mit über 455.000 hauptamtlichen und rund 136.500 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat, davon allein rund 95.000 in Pflegeheimen und weitere ca. 86.000 in Kindertagesstätten, arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.