Personalsituation und Ballungsraumzulage
Ein ausführliches Gespräch mit Marion Ivakko und Günter Hintermaier zur Personalsituation im Kreisverband München.
Wie sehen Sie die Personalsituation im Münchner Roten Kreuz?
Günter Hintermaier: Die Personalsituation im Bereich Soziales und Pflege, aber auch im Rettungsdienst beschäftigt das Münchner Rote Kreuz seit längerem. Der Fachkräftemangel belastet uns, ob im Rettungsdienst- und Krankentransport, den KITAS, den Heimen, der sozialen Arbeit oder der Verwaltung. Der Kreisverband braucht genügend Fachkräfte, um seinen Auftrag erfüllen zu können. Einerseits um die Vereinbarungen mit Vertragspartnern erfüllen zu können, andererseits steigt für Sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Belastung, wenn Stellen unbesetzt bleiben. Vorstand, Geschäftsführung und Ihre Führungskräfte wissen, was Sie leisten. An dieser Stelle ein aufrichtiges Dankeschön für Ihren täglichen Einsatz. Sie können sicher sein, in Ihrem, in unserem und im Interesse der Menschen, für die wir arbeiten, tun wir das uns Mögliche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten
Warum ist die Personalsituation schwierig?
Marion Ivakko: Unsere Hilfe ist gefragt. Der Bedarf an Fachkräften im Gesundheits- und Sozialbereich steigt schneller, als Fachkräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden und einzusetzen sind. Experten erklären das unter anderem durch die Alterung der Gesellschaft und den Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung. Fachkräfte finden im günstigeren ländlichen Raum inzwischen ausreichend Arbeit und ziehen aus den teuren Ballungsräumen dahin, wo Lebenshaltungskosten mit durchschnittlichen Einkommen zu bestreiten sind. München wächst um 20 bis 25 Tausend Menschen pro Jahr, mehr Menschen kämpfen um verfügbare Ressourcen, mehr Einrichtungen, um die in der Relation mehr vorzuhaltenden Fachkräfte. So erhalten wir weniger und auch weniger geeignete Bewerbungen auf unsere offenen Stellenangebote.
Eine Karriere im Gesundheits- und Sozialbereich bietet interessante und sinnvolle Tätigkeiten, aber Sie wissen am besten, wie sehr Sie diese Aufgaben fordern. Grundsätzlich ist sich die Gesellschaft einig, wie dringend Mitarbeiter*innen in der Altenhilfe, den KITAS, der Sozialarbeit und des Rettungsdienstes gebraucht werden und wie wichtig diese sind. Trotzdem leiden Berufe in diesen Bereichen an ihrem Image.
Auch wenn Löhnen im Gesundheits- und Sozialwesen stärker als in anderen Branchen gestiegen sind, regulieren Vorgaben für die zu erbringenden Leistungen und die dafür einzusetzenden Mittel diese Aufgabenbereiche zusätzlich und belasten Sie als Mitarbeiter*innen und uns als Träger. Ausreichende Flexibilität, um ein steigendes Lohnniveau abzubilden fehlt. Höhere Löhne können also nicht ohne weiteres an die Konsument*innen, Patient*innen, Klient*innen oder Bewohner*innen weitergegeben werden, da diese direkt oder die Kostenträger bereits sehr belastet sind. Das heißt, die Träger bekommen die Aufwände und finanziellen Mehrbelastungen für Lohnerhöhung weder automatisch vom Auftraggeber, noch vom Empfänger einer Leistung abgegolten. Für gemeinnützige Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz stellt das eine nur schwer zu bewältigende Herausforderung dar.
Wie bereits erwähnt, verschärft sich die fordernde Personalsituation im Raum München durch die höheren Lebenshaltungskosten. Der Flächentarifvertrag kann die erheblich höheren Lebenshaltungskosten im Ballungsraum München trotz Ballungsraumzulage nicht in dem Maße auffangen, wie dies bei der aktuellen Arbeitsmarktlage gegebenenfalls notwendig wäre.
Á propos Ballungsraumzulage? Wie ist hier der aktuelle Stand?
Günter Hintermaier: Die Landeshauptstadt München und nun auch der Landkreis haben entschieden, ab 2020 die Ballungsraumzulagen für Beschäftigte anzuheben und Fahrtkostenzuschüsse zu gewähren.
Die Stadtpolitik beabsichtigt, alle unsere Zuschüsse und Budgets, die wir als Vertragspartner der Landeshauptstadt z.B. für die ASZs, die KITAS, die Beratungsstellen, die Jugendarbeit etc. bekommen entsprechend aufzustocken, damit auch wir die Löhne unseren Mitarbeiter*innen entsprechend angleichen können. Grundsätzlich begrüßen wir diese Absicht, da nur so einer Wettbewerbsverzerrung zwischen öffentlichen und freien Trägern Einhalt geboten werden kann.
Um diese erhöhten Zuschüsse an die Vertragspartner auszahlen zu können, muss die Landeshauptstadt jedoch erst ein Verwaltungsverfahren schaffen, über das die tatsächliche Auszahlung an die Mitarbeiter*innen möglich und nachvollziehbar ist. Mit der Bekanntgabe dieses Verfahrens ist erst im Laufe des zweiten Quartals 2020 zu rechnen, es soll aber rückwirkend ab 1. Januar 2020 gelten.
Ein weiterer Aspekt ist, dass wir im Kreisverband München jedoch viel mehr Kolleg*innen beschäftigen, die nicht in zuschuss- oder budgetfinanzierten Aufgaben der Landeshauptstadt tätig sind, z.B. im Rettungsdienst, in der Pflege, in der Beruflichen Bildung, in der Verwaltung oder bei den Rot-Kreuz-Betrieben. Für die Personalkosten dieser Mitarbeiter*innen erhalten wir keine Refinanzierung. Die Personalkosten sind durch Entgelte verhandelt oder der Kreisverband München trägt die Kosten wie z.B. für alle Kolleg*innen der Verwaltung aus eigenen Mitteln.
In unserem Verband würde die Anhebung der Zulagen auf die gleiche Höhe wie die der Landeshauptstadt zu einer Mehrbelastung der Personalkosten im Jahr 2020 von fast zwei Millionen Euro pro Jahr führen, die nicht refinanziert würden, sollten wir diese Zulagen auf alle Beschäftigten unseres Verbandes übertragen.
Die Wohlfahrtsverbände und alle Arbeitgeber der sozialen und gesundheitsnahen Aufgaben diskutieren, wie sich diese neuen Vergütungen der kommunalen Mitarbeiter*innen in Stadt und Landkreis auf die nicht refinanzierten Personalkosten auswirken. Bereits jetzt gibt es in jedem Verband unterschiedliche Vergütungen und Zulagenvereinbarungen für die Mitarbeiter*innen. Auch die Überlegungen in den jeweiligen Tarifkommissionen der Arbeitgeber, wie und in welcher Höhe die Zulagen angehoben werden könnten und vor allem für welche Mitarbeiter*innen die Zulagen anzupassen wären, sind daher sehr unterschiedlich.
Wir müssen diese Diskussionen auch in unserer Tarifkommission führen, denn erst auf Basis einer tariflichen Vereinbarung können wir überhaupt Zulagen anpassen. Die Auseinandersetzung in der Tarifkommission für die Ballungsraumzulage, von der noch weitere 6 Kreisverbände betroffen sind, steht kurz bevor und ich versichere Ihnen, dass wir intensiv nach einer fairen Lösung suchen, die allen Mitarbeiter/innen unseres Verbandes gerecht wird, gleich ob sie in einem refinanzierten Aufgabenbereich arbeiten, in einem entgeltfinanzierten oder ob der Kreisverband die Personalkosten selbst trägt.
Gern informieren wir Sie, sobald uns konkrete Informationen dazu vorliegen.
Was macht das Rote Kreuz, um Mitarbeiter*innen zu gewinnen und zu halten?
Marion Ivakko: Sowohl im Bereich Soziales und Pflege als auch im Rettungsdienst unternehmen wir große Anstrengungen, um neue Mitarbeiter*Innen zu gewinnen, wie monatliche Bewerbertage, Einsatz von Kräften im Personalleasing, Neugestaltung der Stellenanzeigen, Drehen eines Imagefilms, eigene Bewerberportale für Rettungsdienst und Kita, Online-Anzeigen, verstärkte Ausbildung von Notfallsanitätern, Einstellungszusagen von Azubis bereits vor Abschluss der Ausbildung, Einsatz der Schichtkoordination zur optimalen Dienstbesetzung, Finanzierung von Ausbildungen, Planung einer Berufsfachschule für Notfallsanitäter, Kooperationen mit Ausbildungsstätten, Einspringprämien, Anwerberprämien, Kooperationen um MitarbeiterInnen aus dem Ausland zu gewinnen, wo möglich Unterstützung bei der Wohnraumsuche sowie befristete Vermietung von Betriebswohnungen.
Auch auf Landesebene ist das Rote Kreuz aktiv und setzt sich dafür ein, dass Abschlüsse von Fachkräften aus dem Ausland schneller anerkannt werden oder dass Rahmenbedingungen wie die Rechtssicherheit von Notfallsanitätern verbessert werden.