Repor t Vertrauen aufbauen Erwachsenen sowieso nicht trauen kann, brauchen oft lange, bis sie sich in der Spieltherapie öffnen. Dann aber dürfen die Pädagogen eintreten in ihre Welt. „Im Spielzim- mer liegt mein ganzer Fokus auf dem Kind“, sagt Steffi Jofer. „Im Angesicht seines Leidens drehe ich mich nicht um und laufe weg, sondern halte alles mit aus. Das Kind soll fühlen, wie es ist, getröstet und ermutigt zu werden, liebevolle Blicke und Gesten zu erzeugen. Diese Erfahrung kann ihm niemand mehr nehmen.“ Sie arbeitet auch mit Kindern, die Gewalt in der Familie erleben. Die vom Kind inszenierten Spielsituationen drehen sich dann vorwie- gend um Macht und Ohnmacht. Ähnlich wie beim Nach- spielen der Krankheit werden die Rollen vertauscht: Die Pädagogin muss die Leidende sein. Das Kind hat endlich die Oberhand und nimmt eine aktive Rolle ein, zum Bei- spiel die eines alles beherrschenden Königs. Steffi Jofer wird zur Dienerin degradiert und muss Befehle ausfüh- ren. Stellvertretend für das Kind durchlebt sie dessen Aus- geliefertsein. Unbewusst guckt es sich während dieser Spiele an, wie hilflos es sonst ist. Nun ist es endlich einmal mächtig und kann sein Selbstbewusstsein aufbauen. „Als Heilpädagogin erkenne ich die Gefühle des Kindes an, ohne sie zu bewerten“, erklärt Steffi Jofer. „Ich bestärke es in seinem Empfinden: Man darf wütend sein auf Er- wachsene, vor denen man sich unter dem Tisch verste- cken muss. Man darf auch Angst haben nach einer Flucht- erfahrung, nach der Trennung der Eltern oder während einer schweren Krankheit. Auf diesem gemeinsamen Weg mit den Kindern wirkt viel Schreckliches auf mich ein. Aber wir Pädagogen können auch so einiges klären. Wir ermutigen, fördern und unterstützen. Indem das Kind Be- lastendes im Spiel zurücklassen kann, bringen wir seine Welt wieder ein Stück weit in Ordnung.“ Wann ist nun eine solche Therapie erfolgreich? Wenn das Kind so viele korrigierende Erfahrungen gemacht und Positives erlebt hat, dass sich seine eigenen Fähigkeiten festigen konnten und Auffälligkeiten reduziert auftreten. Das Kind sollte wieder Gefallen an Tätigkeiten finden, die seinem Alter entsprechen, ohne sich ständig mit Flucht, Krankheit, Trauer oder Gewalt beschäftigen zu müssen. „Ein Treffen pro Woche ist nicht viel“, meint Steffi Jofer, „aber es reicht aus, damit das Kind erfahren kann: ,So fühlt es sich an, gesehen zu werden. Meine Bedürfnisse und Gefühle sind in Ordnung.‘“ Es spürt, dass man es akzeptiert. Und irgendwann geht die Achtung der ande- ren in Selbstachtung über. n n e s s u s / . m o c k c o t S i : o t o F jede vorgeschlagene Szenerie ein, akzeptiert das Kind als Be- stimmerin und führt folgsam seine Regieanweisungen aus: „Muss ich jetzt Angst haben?“, „Soll ich schreien oder mich wehren?“ Die Befehle sind klar: Nie darf sie sich beschweren, muss im Wartezimmer lange warten, stillsitzen, geduldig sein, sich immer tapfer und vernünftig zeigen, Schmerzen und Ge- fühle unterdrücken und alles aushalten. Als die Phase des Haar- ausfalls nach der Chemotherapie zum Thema wurde, sollte sich Steffi Jofer schämen und konnte sich nicht verstecken, als alle anderen Kinder sie vermeintlich ansahen und bestimmt gleich auslachen würden. Gegenüber der Pädagogin offenbart die kleine Patientin, wie sie sich als schwer krankes Kind fühlt. Un- bewusst hat sie verstanden, dass auch ihre Eltern von Sorgen geplagt werden, und will sich ihnen mit ihren eigenen Ängs- ten nicht zumuten. In der Spieltherapie kann sie endlich alle Gefühle benennen, die sie belasten, diese aber ihre Heilpädago- gin durchleben lassen. Die darf als leidendes Kind manchmal auch wütend sein und sich verweigern, was sich das Mädchen in der Realität versagt. Als Ärztin behält es zumindest im Spiel die Kontrolle über die Gegebenheiten und kann sich endlich wieder aktiv und selbstbewusst fühlen. Neben dem Eintau- chen in die belastende Situation sollte in einem anderen Spiel aber auch alles wieder gut sein. Dann stellte es einen Kinderge- burtstag nach, ein Erlebnis, das es kaum kannte. Im Mittel- punkt stehen, Gäste empfangen, unbekümmert sein und Spaß haben – sich die Welt in Ordnung zu spielen tat unsagbar gut. Das Vertrauen der kleinen Klienten zu erarbeiten, kann dauern. „Als Pädagoge muss man extrem zuverlässig und kons- tant sein, egal in welcher privaten Situation man sich selbst ge- rade befindet“, weiß Steffi Jofer. „Man braucht eine enorme in- nere Stabilität.“ Vor allem Kinder mit der Erfahrung, dass man