14 Repor t Eine Zeitreise, unter der kundigen Führung älterer Verwandter, steckt voller Überraschungen: Wir erleben die Erzähler als junge Menschen voller Träume und Pläne, rebellisch, ambitioniert, unverzagt, gewitzt, verliebt, politisch. Der gemeinsame Ausflug in die Vergangenheit bringt nicht nur interessante historische Details ans Licht. Sondern auch den einen oder anderen persönlichen Gedanken, der das damalige Geschehen greifbar, für die Nachkommen lebendiger macht. Warum läuft Oma blutrot an, als man ihr vorrechnet, dass zwischen ihrer Hochzeit und der Geburt des Onkels nur fünf Monate liegen? Warum erzählt sie ausschließlich lustige Anek- doten, wenn man sie nach dem Krieg fragt? Und warum winkt sie betreten ab, wenn man wissen will, ob sie Juden gekannt hat? * Erinnerungen aktivieren das * Gehirn. Es gibt Menschen, die haben ihre Ver- gangenheit begraben und möchten nicht mehr daran rühren. Die meisten erinnern sich jedoch gern, zumindest an die schönen Tage. Das kann man nicht nur nutzen, um dieses Wissen für andere zu erhalten. Son- dern auch, um den Erzählern selbst ihr Leben wieder vor Augen zu führen. Vor allem, wenn Menschen unter einer zunehmenden Demenz leiden, ziehen sie sich oft zurück und sprechen weniger. Dann hilft der Blick in die Vergangen- heit unter Umständen, ein Fadenende zu finden, daran an- zuknüpfen und so ganz nebenbei das Gedächtnis zu akti- vieren. Beschäftigungstherapeuten und -assistenten setzen dies in der Arbeit mit alten Menschen bewusst ein, wie die Fachkräfte im Haus Alt-Lehel, einer Senioreneinrichtung des Münchner Roten Kreuzes, bestätigen. Der Lebenslauf eines Bewohners, den die Angehörigen für die Betreuer schreiben, oder Fotoalben bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für ein Gespräch. Hat jemand zum Beispiel gern Kuchen geba- cken, ist in seinem Beruf aufgegangen, hatte ein geliebtes Haustier oder kultiviert das Andenken an einen bestimm- ten Wohnort, stellen die Betreuer entsprechende Fragen. Und der Effekt ist erstaunlich: Selbst Menschen, die sich seit Längerem in sich zurückgezogen und kaum an Gesprächen beteiligt haben, blühen auf, genießen die angenehmen Er- innerungen und beginnen zu erzählen. Falls Worte nicht helfen, versuchen es die Betreuer mit Taten: Gemeinsam Kastanien zu sammeln und zu überlegen, was man als Kind damit gemacht hat, Gegenstände von früher wie ein altes Bügeleisen oder eine Kaffeemühle anzufassen, Volkslieder zu singen oder alte Schlager zu hören – all dies kann ein Tür- öffner sein, um einen Zugang zum Bewohner zu finden. Sein Gesichtsausdruck löst sich, der Mensch taut auf und freut sich über das Interesse an seinen Erzählungen. Plötzlich im Mittelpunkt zu stehen, stärkt bei vielen das Selbstbewusst- sein. Mit viel Glück löst dieser Moment auch langfristig etwas aus, stärkere Reaktionen auf Ansprache, mehr Aktivität, ein gesteigertes Interesse am Umfeld, an Mitbewohnern und Beschäftigungsangeboten. * Mit Fragen die eigene Familie neu entdecken * Es lohnt sich also, die Lebensge- schichten der Verwandten zu er- fragen und zu erforschen. Oma und Opa, auch die Eltern werden unserem Wunsch, mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren, sicher gern nachkommen. Wenn sie erst ein- mal mit dem Erzählen beginnen, kommt bestimmt so man- ches Erlebnis, das sie längst vergessen hatten, wieder zum Vorschein. Am Ende sind sie womöglich selbst überrascht, was in ihrem Leben so alles passiert ist. Konfrontieren wir die älteren Familienmitglieder mit unserem Wissensdurst. Nutzen wir die Zeit, solange wir sie noch haben. Stellen wir ihnen Fragen, die Raum für intensive Gespräche bieten. Zum Beispiel die auf der rechten Seite. g a l r e V s l u p m i t s b l e S : o t o F DA S E R I N N E R U N G S B U C H Z U M AU S F Ü L L E N „Oma, erzähl mir von dir“ Unterstützt durch sorgsam ausgewählte Fragen werden persönliche Erinnerungen für alle Zeiten festgehalten. Gemeinsam mit der Familie darin zu schmökern lässt Omas Lebensstationen immer wieder lebendig werden. 148 liebevoll gestaltete Seiten zum Ausfüllen, Bemalen und Bekleben sind ein wundervolles Geschenk für Omas und Enkel. Ähnliche Alben gibt es übrigens auch für Opas. Geschenktipp Autorin: Alexandra Lennarz, Selbstimpuls Verlag.