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MiB_September-2015

12 Report wahr: Bei Kilometer 44,312 sind um 18.31 Uhr zwei vollbesetzte Eilzüge mit etwa neunzig Stundenkilometern inein- ander gerast. Das Aufeinandertreffen er- folgte in einem waldreichen Gebiet in einer der wenigen Kurven auf der Stre- cke – daher war der Sichtkontakt zu kurz, um die Fahrt wirkungsvoll zu bremsen. * Nachdem der entgleiste Waggon zum Stillstand gekommen ist, finden sich Wilhelm Mahler und seine Söhne auf der Innenseite der Waggondecke wieder. Der Wagen liegt halb auf dem Dach; sie sind von Staub umgeben. Es herrscht abso- lute Stille. Der Vater sucht im Dunst seine Söhne zusammen und prüft, ob sie wohlauf sind. Auf den ersten Blick kann er nichts finden. Ihm selbst rinnt Blut aus einer Wunde am Kopf und am rech- ten Handgelenk. Erst jetzt ertönt leises Stöhnen und Wimmern aus den benach- barten Abteilen. Sichtbar verletzt ist im direkten Umfeld der Mahlers jedoch nie- mand. Sie versuchen, ein Fenster, das sich nun über ihnen befindet, zu öffnen. Es ist verklemmt. Die beiden jüngeren Söhne finden den Weg über Gepäckstü- cke und Trümmer zur zerborstenen Wag- gontür. Etwa zwei Meter müssen sie in eine ungemähte Wiese springen. * Bereits kurz nach dem Unfall gehen bei der örtlichen Polizeidienststelle und beim Roten Kreuz in Miesbach die ersten Not- rufe ein. Die Rettungsleitstellen in Bay- ern sind zu dieser Zeit erst im Aufbau. Daher werden Anrufe außerhalb der Bürozeiten von einem hauptamtlichen Rotkreuz-Mitarbeiter in seiner Dienst- wohnung entgegengenommen. Ist dieser im Einsatz, übernimmt seine Ehefrau den Telefon- und Funkdienst. Eine solche Ehefrau bearbeitet zunächst die Meldun- gen und schickt die rund um den Ort in Bereitschaft stehenden Retter los. Doch schnell wird klar: Dieser Notfall überfor- dert die Ressourcen der Region. * „Wir organisierten sogar Rettungs- flüge auf die Theresien- wiese.“ Einen ganzen Ordner mit Fotos und Zeitungsausschnitten der Katastrophe hat Erwin Prechtl zusammengestellt. Mit seinem kürzlich verstorbenen Kollegen Günther Höcherl war er seit dem Unglückstag eng befreundet. Den Mahlers, nun sicher auf der Wiese stehend, offenbart sich das ganze Ausmaß der Katastrophe: Beide Loks sind ineinander verkeilt, ihre Form ist kaum noch zu erkennen. Der Waggon, in dem die vier vor wenigen Minuten nach Hause fuhren, liegt halb auf dem Dach neben dem Gleis- körper. Er hat nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Länge; beide Enden sind völlig verformt. Lediglich im Bereich der drei mittleren Fensterachsen blieb sein Querschnitt erhalten. Starr vor Schreck machen sie sich bewusst, dass sie in dem Abteil, in dem sie zuerst Platz genom- men hatten, nicht überlebt hätten. Dadurch, dass ihr Wagen aus dem Gleis geschleudert wurde, hat sich der folgende Waggon über die Lok geschoben. Dabei wurde sein Boden

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