Herr Professor Ruckriegel, wie definie- ren Sie einen glücklichen Menschen? Als Glücksforscher beschäftige ich mich mit den Fragen des subjektiven Wohlbe- findens. Und dabei geht es um „glück- lich sein“, nicht um „Glück haben“ bei- spielsweise aufgrund eines Lottoge- winns. Aus Studien wissen wir, dass bei einem glücklichen Menschen das Ver- hältnis seiner positiven zu den negati- ven Gefühlen im Tagesdurchschnitt mindestens 3:1 beträgt. Auch die be- wusste Bewertung seines Lebens liegt im positiven Bereich. Und wir haben festgestellt: Je werthaltiger und realisti- scher die Ziele sind, die sich ein Mensch setzt, desto glücklicher fühlt er sich. Es gibt also „sinnvolle“ und „nicht sinn volle“ Träume? Wir müssen unterscheiden zwischen schillernden Tagträumen und dem, was man wirklich will. Ein erreichbarer Traum muss konkret sein, sodass man ihn als Ziel umformulieren kann. Und dabei überlegen: Welche Ziele tragen zu meinem Wohlbefinden bei? Unsere For- schung hat gezeigt, dass Träume, die mit persönlichem Wachstum, zwi- schenmenschlichen Beziehungen oder einem Beitrag zur Gesellschaft zusam- menhängen, am ehesten umgesetzt werden können und zu einer sehr hohen Zufriedenheit führen. Aber ist damit nicht willkürlich festge- legt, was „sinnvoll“ ist? Lebensträume sind doch individuell verschieden – jeder Mensch schöpft seine persönliche 20 Report eit dem zwölften Lebensjahr wächst in Alexander der Wunsch, später als Pilot sein Geld zu verdienen. Die Welt sehen, in wech- selnden Crews arbeiten, das Gefühl des Leicht- werdens beim Abheben spüren, mit Technik umgehen: Sobald der Junge bisher einen Flugha- fen betrat, verspürte er ein starkes Glücksgefühl. Nach anfänglichem Zögern unterstützen ihn sei- ne Eltern. Sie sehen die Hürde, dass nur eine Flug- gesellschaft in Deutschland die Pilotenausbil- dung des Nachwuchses finanziert – kommt man als Anwärter dort nicht unter, muss man die Kosten (mehrere Zehntausend Euro) für die private Ausbildung an einer Flugschule selbst aufbringen. Daher drängt Alexan ders Mutter auf einen Plan B: die Bewerbung um eine Ausbildungsstelle im kaufmännischen Bereich. Alexander folgt der Vernunft und bekommt einen Ausbildungsvertrag. Parallel arbeitet er an seiner Pilotenlaufbahn. Über private Kontakte organisieren die Eltern ein Praktikum am Flug- hafen. Während der Schulferien begleitet Alexander nun die Mitarbeiter verschiedener Abteilungen bei ihrer täglichen Arbeit. Und natürlich be- kommt er Gelegenheit, sich mit Piloten auszutauschen. Das Praktikum wird zum Volltreffer: Mehr noch als vorher brennt er nun für den Pilotenbe- ruf und bewirbt sich. Die Einladung des favorisierten Unternehmens zum ersten Eignungs- test liegt bald im Briefkasten. Er besteht. Ein paar Monate später soll er an einem mehrtägigen Auswahlverfahren teilnehmen. Zur Sicherheit bucht Alexander ein einwöchiges Vorbereitungsseminar; die Teilnahmegebühr zahlt er von seinem Taschengeld. Außerdem absolviert er monatelang, pa rallel zu seinen Abiturvorbereitungen, Wissenstests im Internet rund ums Fliegen. Er tauscht sich in Foren mit anderen Bewerbern aus ganz Deutsch- land aus, sie treffen sich sogar an einem Wochenende zu einer Lerngruppe. Perfekt gewappnet und doch zitternd vor dem entscheidenden Moment sieht Alexander dem zweiten Test entgegen. Gleich am ersten Tag scheidet er aus. Und die Welt bricht zusammen. Al- les, was er in die Wege geleitet hat, um seinen Traum zu verwirklichen, war vergeblich. Die Enttäuschung ist groß. Er merkt nun, dass er wie mit Scheu- klappen durchs Leben gelaufen ist, dass sich die vergangenen zwei Jahre ausschließlich darum gedreht haben, den Einstellungstest zu bestehen. Nun fällt all das weg. Zurück bleibt eine große Leere. Nur mühsam schafft es Alexander, im Alltag wieder Fuß zu fassen. Glücklicherweise wartet der Ausbildungsplatz. Noch immer weiß er: Er will Pilot werden. Und wird mit allen Möglichkeiten versuchen, diesen Traum zu verwirklichen. Er plant, sich nach seiner Ausbildung bei weiteren Airlines zu bewerben und in dieser Zeit einen Teil des Geldes für die private Flugausbildung zu verdienen. Vielleicht führt der lange Weg am Ende doch noch ans Ziel … Ein steiniger Weg arlheinz Ruckriegel, Professor an der Technischen Hochschule in Nürnberg, widmet sich der Glücksfor- schung. Wie man Träume lebt, ist eines seiner Fachgebiete. Alexander Thurau, 18, muss seinen Traum vom Pilotenberuf erst einmal vertagen – doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben! S K